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serfaus.at

OGH, Urteil vom 16.12.2003, 4 Ob 231/03d

ABGB § 43

*****   Zusammenfassung   *****

Die Gemeinde Serfaus klagt einen Hotelier, der u.a. die Domain serfaus.at registriert hat und unter dieser eine Website über sein Hotel Post betreibt; der Beklagte weist auf der Homepage darauf hin, dass es sich nicht um die offizielle Seite der Gemeinde handelt.

Das Erstgericht wies das Übertragungsbegehren ab und gab dem Löschungsbegehren statt; das Berufungsgericht wies beides ab.

Der OGH gibt der Revision Folge. Ein aufklärender Hinweis auf der Website („Disclaimer“) kann zwar die Verwechslungsgefahr ausschließen. Die berechtigten Interessen des Namensträgers können aber dennoch beeinträchtigt werden, wenn sein Name dazu benützt wird, das Interesse auf eine Website zu lenken, mit der er nichts zu tun hat und deren Inhalt nicht seinen Interessen dient. Anders als im Fall adnet.at II liegt hier kein Gleichklang der Interessen vor, weil der Beklagte die Website nicht im Sinne der Gemeinde nutzt, sondern ausschließlich in eigenem Interesse. Die Domainlöschung ist eine geeignete Maßnahme zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes; eine inhaltliche Änderung könnte der Beklagte jederzeit wieder rückgängig machen.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde Serfaus, Serfaus, vertreten durch DDr. Meinhard Ciresa, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O**** W******, Hotelier, Serfaus, vertreten durch Czernich Hofstädter Guggenberger & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung und Beseitigung (Streitwert 21.000 EUR), über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. September 2003, GZ 2 R 159/03d-9, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16, Mai 2003, GZ 8 Cg 33/03h-5, abgeändert wurde, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.708,02 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 448,67 EUR USt und 1.061 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte betreibt in Serfaus das 4-Sterne-Hotel "Post". Er ist Inhaber der Domains serfaus.at, postserfaus.com und postserfaus.at.
Unter der Domain serfaus.at betreibt der Beklagte, ebenso wie unter den beiden anderen Domains, eine Website, auf der er sein Hotel vorstellt. Mit Fax vom 24.2.2003 forderte ihn der Tourismusverband Serfaus auf, die Domain serfaus.at zu übertragen. Der Beklagte verwende die Domain seit kurzer Zeit. Die Klägerin (= Gemeinde Serfaus) habe die Domain bisher nur deshalb nicht "eingefordert", weil sie vom bisherigen Besitzer nie verwendet worden sei. Der Beklagte war nicht bereit, die Domain zu übertragen. In der folgenden Gemeinderatssitzung beschloss der Gemeinderat einstimmig, gegen den Beklagten eine Klage einzubringen. Nach Zustellung der Klage nahm der Beklagte in die Startseite der unter serfaus.at betriebenen Website folgenden Hinweis auf: "Das ist nicht die offizielle Seite der Gemeinde Serfaus, für diese klicken Sie hier!". Über das Tourismusangebot von Serfaus informiert die unter der Domain serfaus.com betriebene Website. Der Beklagte hat die Domain serfaus.at erworben, um dem von ihm betriebenen Hotel einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Hotels zu verschaffen.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Nutzung der Domain serfaus.at zu unterlassen und in die Übertragung der Domain serfaus.at auf die Klägerin einzuwilligen, und hilfsweise den Beklagten schuldig zu erkennen, die Nutzung der Domain serfaus.at zur Kennzeichnung ihres Betriebes "Hotel Post" in Serfaus zu unterlassen und in die Löschung dieser Domain einzuwilligen. Der Beklagte verletze durch den unbefugten Gebrauch des Namens der Klägerin deren schutzwürdige Interessen. Mit seinem Internetauftritt unter serfaus.at und der von ihm angegebenen E-mail-Adresse info@serfaus.at erwecke er den unrichtigen Eindruck, die Gemeinde empfehle sein Hotel und es bestünden besondere organisatorische Beziehungen zwischen der Gemeinde und dem Beklagten.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Ein durchschnittlicher Internetnutzer könne und werde sich nicht darauf verlassen, unter einer aus dem Namen einer Gemeinde und der Top Level Domain .at gebildeten Domain auf eine von der Gemeinde betriebene Website zu gelangen. Zahlreiche österreichische Tourismusgemeinden seien nicht Inhaber der aus ihrem Namen und der Top Level Domain .at gebildeten Domain. Es sei daher ausgeschlossen, dass der Internetnutzer allein aus einer aus einem Ortsnamen und der Top Level Domain .at gebildeten Domain auf besondere Verbindungen zwischen dem Betreiber der Website und der jeweiligen Gemeinde schließe. Auf den unter der Domain serfaus.at aufrufbaren Webseiten werde keinerlei Zusammenhang zwischen der Gemeinde und dem Hotel des Beklagten hergestellt. Die Suchmaschinen zeigten bei Eingabe des Begriffs "Serfaus" das Hotel des Beklagten erst nach 27. (Google) oder 18. Stelle (Yahoo) an; an erster Stelle scheine die unter der Domain serfaus.com betriebene Website des Tourismusverbands Serfaus auf. Das Begehren auf Übertragung der Domain sei gesetzlich nicht gedeckt. Auch das Begehren auf gänzliche Unterlassung der Nutzung der Domain gehe zu weit. Durch die bloße Registrierung einer Domain ohne Verbindung mit einer Website könne § 43 ABGB nicht verletzt werden. Gestützt auf § 43 ABGB könne daher nur die Publizierung einer Website unter einer bestimmten Domain untersagt werden.

Das Erstgericht wies - unangefochten - das Hauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren statt. Die Klägerin sei nicht legitimiert, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Sie habe auch nicht bewiesen, dass der Internetnutzer die Website des Beklagten als offiziellen Internetauftritt der Gemeinde auffassen könne. Mit der Domain serfaus.at maße sich der Beklagte aber den Namen der Gemeinde an. Ein schützenswertes Interesse des Beklagten, die Domain serfaus.at zu verwenden, sei nicht zu erkennen. Dem Hauptbegehren sei nicht stattzugeben, weil der Klägerin nicht ein exklusives, sondern nur das bessere Recht auf die Bezeichnung "Serfaus" zukomme. Es sei daher dem Löschungs-, nicht aber dem Übertragungsbegehren statt zu geben.

Das Berufungsgericht wies auch das Eventualbegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Der Beklagte nutze die Bezeichnung "Serfaus" nur als geographische Ortsangabe. Auch eine Verwendung als Name greife nicht in die Rechte der Klägerin ein. Der auf der Startseite angebrachte aufklärende Hinweis schließe eine Zuordnungsverwirrung aus. Auch sonstige berechtigte Interessen der Klägerin würden nicht verletzt. Die Website erwecke in ihrer Gesamtheit nicht den Eindruck, dass die Klägerin das Hotel des Beklagten in besonderer Weise fördere oder dass sonst ein Naheverhältnis bestehe. Dass der Beklagte für sein Hotel damit werbe, dass es in Serfaus gelegen sei, entspreche der Wahrheit und sei legitim. Die Domainregistrierung durch den Beklagten hindere die Klägerin auch nicht, unter der Domain serfaus.gv.at aufzutreten. Wer Informationen über die Klägerin einholen wolle, bediene sich aber in der Regel ohnehin einer Suchmaschine. Von dort gelange er zur Website des Landes Tirol und weiter zur Subseite der Klägerin.

Rechtssatz

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt. In der Entscheidung 4 Ob 47/03w (= wbl 2003, 542 [Thiele] - adnet.at II mwN) hat der erkennende Senat seine Rechtsprechung zum Gebrauch von Ortsnamen als Domainnamen zusammengefasst und ausgesprochen, dass der Gebrauch eines Ortsnamens als Domainname nur dann in die Rechte der jeweiligen Gemeinde eingreift, wenn deren schutzwürdige Interessen verletzt werden. Eine Verletzung schutzwürdiger Interessen liegt insbesondere dann vor, wenn der unbefugte Gebrauch zu einer Zuordnungsverwirrung führt, welche nicht nur nach dem Domainnamen, sondern auch nach dem Inhalt der Website zu beurteilen ist. Ein aufklärender Hinweis auf der Website kann daher die Verwechslungsgefahr ausschließen. Die berechtigten Interessen des Namensträgers können aber dennoch beeinträchtigt werden, wenn sein Name dazu benützt wird, das Interesse auf eine Website zu lenken, mit der er nichts zu tun hat und deren Inhalt nicht seinen Interessen dient (4 Ob 209/01s = ÖB1 2002/27 [Kurz] - bundesheer.at II).

In dem der Entscheidung 4 Ob 47/03w zugrunde liegenden Fall hat der erkennende Senat eine Verletzung berechtigter Interessen der klagenden Gemeinde verneint. Auf der Startseite der unter adnet.at betriebenen Website bestand ein Link zur offiziellen Website der Gemeinde; die vom Beklagten im Vertrauen darauf eingerichtete Website, dass die Gemeinde seinem Vorhaben jedenfalls nicht negativ gegenüberstehe, informierte nach dem festgestellten Sachverhalt ganz allgemein über das touristische Angebot der Region, so dass die Initiative des Beklagten der ganzen Region zugute gekommen ist. Anders als im Fall der Entscheidung 4 Ob 209/01s bestand damit nach Auffassung des erkennenden Senats kein Interessenkonflikt, sondern ein Interessengleichklang.

Im vorliegenden Fall benutzt der Beklagte die aus dem Namen der klagenden Gemeinde und der Top Level Domain .at gebildete Domain nicht dazu, um - in der Art eines regionalen Informationsportals - ganz allgemein über die Region zu informieren. Er betreibt unter der Domain eine Website, auf der er, ebenso wie auf den anderen von ihm betriebenen Websites, nur sein Hotel vorstellt. Mit der unter der Domain serfaus.at betriebenen Website wird der Beklagte daher nicht im Interesse der Gemeinde, sondern ausschließlich in seinem eigenen Interesse tätig.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit grundlegend von dem der Entscheidung 4 Ob 47/03w zugrunde liegenden Sachverhalt. Der Beklagte ist nicht initiativ geworden, um im Interesse der ganzen Region dafür zu sorgen, dass die Gemeinde mit ihrem touristischen Angebot (auch) im Internet vertreten ist, sondern er nutzt den Namen der Gemeinde dazu, um (auch) solche Internetnutzer auf seine Website zu bringen, die auf der Suche nach Informationen über die Gemeinde im Internet den Namen der Gemeinde und die Top Level Domain .at als Internetadresse eingeben und nicht den Umweg über eine Suchmaschine wählen. Dem berechtigten Interesse der Klägerin, dass ihr Name nicht dazu benützt wird, Internetnutzer auf die Website des Beklagten zu locken und erst über diese Website auf ihre eigene Website zu bringen, steht damit kein schützenswertes Interesse des Beklagten gegenüber. Der Beklagte erlangt mit der Verwendung der Domain vielmehr einen Vorteil, der ihm nicht zukommt.

Bei dieser Sachlage spielt es keine Rolle, dass die Klägerin in der Gebietskörperschaften vorbehaltenen Second Level Domain .gv.at die Eintragung einer nur aus ihrem Namen gebildeten Domain (serfaus.gv.at) erreichen könnte. Ihre berechtigten Interessen werden bereits dadurch verletzt, dass der Beklagte den - jedenfalls bei einem Teil der Internetnutzer - durch die Domain serfaus.at erweckten Anschein, der Internetnutzer rufe durch die Eingabe dieser Internetadresse die Website der Gemeinde auf, ausnützt, um (auch) Internetnutzer auf seine Website zu bringen, die Informationen über die Gemeinde und nicht bloß Informationen über sein Hotel suchen.

Die Verletzung ihres Namensrechts begründet sowohl den Unterlassungs- als auch den Beseitigungsanspruch der Klägerin. Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen den Gebrauch ihres Namens als Domainname; dem Beklagten ist daher - wie von der Klägerin begehrt und vom Erstgericht auch zugesprochen - die Nutzung der Domain serfaus.at für seinen Hotelbetrieb zu untersagen. Auch der - nach rechtskräftiger Abweisung des Hauptbegehrens allein noch verfahrensgegenständliche - Löschungsanspruch ist als geeignete Maßnahme zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands begründet. Eine inhaltliche Änderung der Website könnte entgegen der Meinung des Beklagten die Wiederholungsgefahr nicht vollständig beseitigen, weil eine solche Änderung jederzeit wieder rückgängig gemacht werden kann. Die Nachhaltigkeit des Unterlassungsgebots kann nur dadurch sichergestellt werden, dass dem Verletzten auch ein Anspruch auf Beseitigung des störenden Zustands durch Einwilligung des Beklagten in die Löschung der Domain eingeräumt wird (4 Ob 39/01 = ecolex 2002, 597 [Schanda] -KunstNET).

Der Revision war daher dahin Folge zu geben, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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