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amade.at II

OGH, Beschluss vom 14.2.2006, 4 Ob 6/06w

MSchG § 10, § 58

 

*****   Zusammenfassung   *****

Die Klägerin ist eine Liftgesellschaft, Inhaberin der Marke "amadé" und Mitglied der "Salzburger Sportwelt Amadé". Der Erstbeklagte ist Webdesigner. Er registrierte 1999 die Domain "amade.at" und übertrug sie an die von ihm in den USA gegründete Firma Amade Incorporated (die nunmehrige Zweitbeklagte). Diese betrieb unter der Domain einen Maildienst. Bereits im Jahr 2002 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Damals wurde zunächst der Antrag auf EV vom OGH im Hinblick auf den Inhalt der Website (Mailprogramm), der die Marke der Klägerin nicht tangierte, zu 4 Ob 56/02t abgewiesen. Danach wurde auch die Klage vom LG Salzburg mangels Vorliegen von Domaingrabbing abgewiesen (2 Cg 233/01s).

Im nunmehrigen Verfahren erließ das Erstgericht die Unterlassungs-EV; das Rekursgericht bestätigte. Auslöser war, dass der Beklagte mittlerweile unter der Domain eine Website zur Vermittlung und Buchung von Hotels und Unterkünften betrieb.

Der OGH gibt dem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Folge. Mit der Änderung des Inhaltes der Website hat sich der rechtserzeugende Sachverhalt geändert, sodass eine weitere Unterlassungsklage zulässig ist. Die Haftung ergibt sich aus der Innehabung der Domain und nicht aus dem Betrieb des Dienstes auf der Website; der Inhalt der Website ist nur für die Frage der Verwechslungsgefahr von Belang. Die unterschiedliche Schreibweise (Marke Amadé) beseitigt im Hinblick auf den ähnlichen Tätigkeitsbereich nicht die Verwechslungsgefahr.

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter der in der Rechtssache der klagenden Partei „Z*****" ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. Peter U*****, 2. A***** Inc., *****, beide vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. Dezember 2005, GZ 1 R 176/05s-9, den

Beschluss

gefasst:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtssatz

Die Vorinstanzen haben den Beklagten verboten, die Domain amade.at zum Betrieb einer Vermittlungs- und Buchungsplattform für Hotels oder Unterkünfte zu nutzen. Damit werde in Rechte der Klägerin insbesondere an den Wortmarken Nr. 121.851 (AMADÉ) und Nr. 123.788 (Sportwelt AMADÉ) eingegriffen. Die Marken sind unter anderem für die Klassen 35 (Werbung und Ähnliches) und 42 (Verpflegung, Beherbergung von Gästen, Hotelreservierungen und Ähnliches) registriert. Ihre Priorität liegt vor der Registrierung der strittigen Domain.

Dem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs gelingt es nicht, erhebliche Rechtsfragen im Sinn der §§ 78 EO, 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Im Verfahren 2 Cg 233/01s des Landesgerichtes Salzburg (im Provisorialverfahren 4 Ob 56/02t = ecolex 2002/235 [Schanda] - amade.at I) wurde zwar ein Begehren, das (ohne weitere Einschränkung) auf Unterlassung der Domain-Nutzung gerichtet war, rechtskräftig abgewiesen. Die Rechtskraft dieser Entscheidung steht der nun erlassenen einstweiligen Verfügung aber nicht entgegen. Bei Schluss der Verhandlung erster Instanz im Vorprozess stand nämlich auf der Website nur ein Gratis-Mail-Programm zur Verfügung. Jetzt werden dort Beherbergungsbetriebe präsentiert. Damit hat sich der rechtserzeugende Sachverhalt geändert. Der durch den neuen Sachverhalt begründete Rechtsschutzanspruch wird von der materiellen Rechtskraft der Vorentscheidung nicht berührt (RIS-Justiz RS0041247, RS0007201).

2. Es trifft zwar zu, dass die Klägerin nach § 56 iVm § 33a MSchG glaubhaft machen musste, dass die seit mehr als fünf Jahren registrierten Marken tatsächlich genutzt wurden (4 Ob 7/96 = SZ 69/38 - Leimin). Das ist ihr entgegen den Behauptungen der Beklagten auch gelungen. Nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt werden die Marken, die von vornherein zur Nutzung auch durch andere Mitglieder der Salzburger Sportwelt Amadé bestimmt waren, von den „Liftgesellschaften und Tourismusverbände[n] in der Region der Salzburger Sportwelt Amadé" in Geschäftspapieren und Werbematerialien verwendet. Die Marken werden demnach sowohl von der Rechteinhaberin selbst (auch die Klägerin ist eine „Liftgesellschaft [...] in der Region der Salzburger Sportwelt Amadé") als auch mit ihrer Zustimmung von Dritten (den anderen Mitgliedern) benutzt.

3. Eine Verwirkung nach § 58 MSchG kann schon deswegen nicht eingetreten sein, weil sich die Klägerin bereits im Vorverfahren (wenngleich erfolglos) gegen die Nutzung der Marken durch den Erstbeklagten gewehrt hat. Die Frage, ob die „Benutzung" eines Zeichens auch dann unter § 58 MSchG fällt, wenn sie - etwa wegen fehlender Verwechslungsgefahr - das Markenrecht nicht verletzt, muss daher hier nicht entschieden werden. Der Zweck des § 58 MSchG spricht gegen eine solche Auslegung.

4. Die Beklagten vertreten weiterhin die Auffassung, sie seien nur „Diensteanbieter" und hafteten (daher) nicht für die von ihnen eingerichtete „Informationsplattform". Sie verkennen dabei, dass die Zweitbeklagte als Inhaberin der Domain und der Erstbeklagte als ihr Geschäftsführer in Anspruch genommen wird. Der Inhalt der Website ist nur insoweit von Bedeutung, als zu prüfen ist, ob durch die Nutzung der Domain die Gefahr von Verwechslungen mit Marken der Klägerin begründet wird.

5. Die Second Level Domain der Beklagten unterscheidet sich geringfügig - nämlich durch das Fehlen des accent aigue - von einer sonst gleichen Marke bzw einem sonst gleichen Teil einer Marke der Klägerin (amade - AMADÉ). Daher haben die Vorinstanzen zutreffend geprüft, ob Verwechslungsgefahr iSv § 10 Abs 1 Z 2 MSchG vorliegt. Bei dieser Prüfung ist auf den Inhalt der Website abzustellen (4 Ob 56/02t - amade.at I mwN). Nach dem bescheinigten Sachverhalt werden „dort nunmehr Verpflegungs- und Beherbergungsbetriebe aus dem Land Salzburg und dem Salzkammergut präsentiert", unter anderem auch aus den Regionen des Schiverbundes Amadé. Ob nach den Umständen des konkreten Falls Verwechslungsgefahr besteht, hat regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO liegt daher auch insoweit nicht vor.

6. Die von den Beklagten zitierte Entscheidung des EuGH in der Rs C-418/02 (Praktiker Bau- und Heimatmärkte AG) betrifft die Eintragung einer Marke für „Dienstleistungen im Rahmen des Einzelhandels". Danach ist es erforderlich, bei einer solchen Eintragung (zwar nicht die Art der Dienstleistungen, wohl aber) die Art der Waren anzugeben, auf die sich die Dienstleistungen beziehen. Das erleichtert nach Auffassung des EuGH (unter anderem) die Anwendung von Art 5 Abs 1 MarkenRL (§ 10 Abs 1 MSchG).

Die Relevanz dieser Entscheidung für den vorliegenden Fall ist nicht erkennbar und wird im Rechtsmittel auch nicht dargestellt. „Dienstleistungen im Rahmen des Einzelhandels" erfassen ein so weites Feld, dass eine (im Anlassfall ohnehin vorgenommene) Konkretisierung sinnvoll sein mag. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass die hier erfolgte Registrierung einer Marke für „Werbung" bzw „Verpflegung, Beherbergung von Gästen, Hotelreservierungen und Ähnliches" unzulässig wäre. Schon der Zusammenhang dieser Klassen zeigt deutlich, worauf sich die Marke bezieht.

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