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Ausrichtung einer Website - Frachtschiffreise

OGH, Beschluss vom 6.11.2008, 6 Ob 192/08s

EuGVVO Art 15

*****   Zusammenfassung   *****

Der österreichische Kläger buchte bei der deutschen Beklagten als Vermittlerin eine Frachtschiffreise im Mittelmeer. Die Beklagte bietet derartige Reisen auch über ihre Website auf dem österreichischen Markt an. Der Kläger fordert (wegen Mängeln) den Reisepreis zurück, die Beklagte wendet die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit ein.

Das Erstgericht verwarf die Unzuständigkeitseinrede, das Rekursgericht wies die Klage zurück.

Der OGH unterbricht das Verfahren und legt dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor, ob für das „Ausrichten" der Tätigkeit im Sinne von Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO ausreicht, dass eine Website des Vertragspartners des Verbrauchers im Internet abrufbar ist, und ob eine Frachtschiffreise eine Pauschalreise im Sinne des Art 15 Abs. 3 EuGVVO darstellt.

Anmerkung: EuGH C-585/08 (Schlussanträge der Generalanwältin vom 18.5.2010
 

*****   Entscheidung   *****

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter P*****, vertreten durch Dr. Günther Neuhuber und Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Reederei Karl S***** GmbH & Co KG, *****, Deutschland, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 5.294 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 13. Juni 2008, GZ 1 R 38/08f-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 3. Jänner 2008, GZ 9 C 940/07v-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stellt eine „Frachtschiffreise" eine Pauschalreise im Sinne des Art 15 Abs 3 EuGVVO (VO 44/2001 - „Brüssel I") dar?

2. Bei Bejahung von Frage 1:

Reicht für das „Ausrichten" der Tätigkeit im Sinne von Art 15 Abs 1 lit c) EuGVVO aus, dass eine Website eines Vermittlers im Internet abrufbar ist?

II. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt

Der Wohnsitz des Klägers liegt in Österreich, der Sitz der beklagten GmbH & Co KG in Deutschland. Der Kläger buchte bei der beklagten Partei eine Frachtschiffreise von Triest nach Ostasien mit Abfahrtstermin Ende Jänner 2007 für zwei Personen zu einem Gesamtpreis von 8.510 EUR. Vermittelt wurde diese Reise durch die Internationale Frachtschiffreisen P***** GmbH; dieses Unternehmen hat seinen Sitz in Deutschland und bietet derartige Reisen (auch) am österreichischen Markt in Form einer Homepage an.

II. Vorbringen und Anträge:

Der Kläger begehrt 5.294 EUR sA. Dazu bringt er im Wesentlichen vor, auf der Homepage des Vermittlers werde folgende Schiffsbeschreibung angegeben: „Deutsche Schiffsführung, Sportraum, Außenschwimmbad, Salon, Video/TV". Vorhanden seien drei Doppelkabinen mit Dusche und WC, separatem Wohnraum, sehr guter Ausstattung mit Sitzgruppe, Schreibtisch, Teppichboden und Kühlschrank. Landgänge mit einer Liegezeit von ca 12 bis 36 Stunden zur Stadterkundung würden ebenso beschrieben. Der Kläger und seine Ehegattin hätten den Antritt der Reise verweigert. Statt der gebuchten Doppelkabine sei lediglich eine Einzelkabine zu Verfügung gestellt worden. Die Belüftungsanlage habe nicht funktioniert, die Kabinenfenster seien verschraubt gewesen. Entgegen der Reisebeschreibung seien kein Außenschwimmbad, kein Sportraum, keine funktionierende TV-Anlage und keine Sitz- bzw Liegemöglichkeit an Deck vorhanden gewesen. Landgänge wären überhaupt nur vereinzelt in Europa und Shanghai möglich gewesen. Die beklagte Partei habe eine Teilrückzahlung von 3.516 EUR geleistet; sie sei aber verpflichtet, den gesamten Klagsbetrag zu erstatten.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie entfalte keinerlei berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in Österreich. Außerdem bestritt sie das Vorbringen des Klägers.

III. Verfahrensverlauf:

Das Erstgericht sprach aus, es sei (international) örtlich zuständig und verwarf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Gegenstand des Verfahrens sei ein Vertrag, den ein Verbraucher zu einem Zweck geschlossen habe, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zuzurechnen sei. Entscheidend sei, ob der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz habe, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübe oder eine solche auf irgendeinem Weg aus diesem Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten ausrichte. Der Vermittler, nämlich die Internationale Frachtschiffreisen P***** GmbH, habe durch seinen Internetauftritt eine Werbetätigkeit auch für die beklagte Partei in Österreich entfaltet. Darin sei eine Ausrichtung der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf Österreich zu erkennen. Es liege eine Pauschalreise vor, sodass die Zuständigkeit des Erstgerichts nach Art 16 Abs 1 EuGVVO zu bejahen sei.

Das Rekursgericht wies die Klage zurück. Das „Ausrichten" der Tätigkeit des Unternehmers nach Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO müsse eine gewisse Zielgerichtetheit aufweisen und zumindest auch auf den Staat des Verbrauchers zielen. Nach dem Verordnungsvorschlag der Kommission vom 14. 7. 1999, Amtsblatt vom 28. 12. 1999 C 376, sei unter einem „Ausrichten" auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers auch das Betreiben einer im Wohnsitzstaat des Verbrauchers zugänglichen „aktiven" Website zu verstehen, über die Bestellungen auf elektronischem Weg vorgenommen werden könnten. Dies bedeute, dass Unternehmen, die im Bereich des elektronischen Handels tätig seien, mit einem potenziellen Rechtsstreit in allen Mitgliedstaaten rechnen müssten. Um dies zu vermeiden, müssten sie präzisieren, dass ihre Waren oder ihre Dienstleistungen nicht auf Verbraucher mit Wohnsitz in bestimmten Mitgliedstaaten gerichtet seien.

Andererseits könne die bloße Tatsache, dass sich der Verbraucher einer Dienstleistung oder der Möglichkeit, Waren zu kaufen, über eine in seinem Wohnsitzstaat zugängliche „passive" Website (bloße Werbung) bewusst geworden sei, die Anwendung der besonderen Zuständigkeitsregeln der Verbrauchergeschäfte nicht begründen. Nach Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht Art 15 EuGVVO Rz 18, sei das von der EuGVVO mit der Neufassung von Art 15 Abs 1 lit c angestrebte Ziel eines effektiven Verbraucherschutzes auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung klassischer Vertriebsformen und Vertriebsformen über das Internet nur erreichbar, wenn Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO nur dann nicht anwendbar sei, wenn die Website ausdrücklich nicht auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet sei. Nach einer Entscheidung des Landesgerichts Feldkirch (3 R 101/97f) zu Art 13 LGVÜ sei die Werbung eines ausländischen Reisebüros in Österreich, die ohne Wissen und Willen des Reiseunternehmers erfolgt sei, dem Reiseunternehmen nicht zuzurechnen. Dies habe sinngemäß auch für das „Ausrichten" nach Art 15 EuGVVO zu gelten.

Im vorliegenden Fall erscheine eine Zuständigkeit schon mangels Zurechenbarkeit der Vermittlungstätigkeit der Internationalen Frachtschiffreisen P***** GmbH auch deswegen, weil eine Internetbuchung gar nicht behauptet worden sei, nicht gegeben.

Überdies seien Art 15 ff EuGVVO auf reine Beförderungsverträge nicht anzuwenden. Sie unterlägen den allgemeinen Vorschriften, insbesondere Art 2, 5, 23 und 71 EuGVVO. Lediglich nach der Gegenausnahme des Art 15 Abs 3 EuGVVO fielen Pauschalreiseverträge unter die Schutzbestimmungen der Art 15 ff EuGVVO. Zwar könnten Kreuzfahrten und Busrundfahrten mit Übernachtungen Pauschalreiseverträge sein (Schoibl in JBl 2003, 149, 163; Magnus in Staudinger, BGB13 Art 19 EGBGB Rz 63).

Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um eine Kreuzfahrt. Schon nach den Behauptungen des Klägers fehlten die wesentlichen Elemente einer Kreuzfahrt vollständig. Allein, dass eine langwierige Überfahrt von Europa nach Ostasien mit etwas Komfort verbunden sei, wie etwa einem Pool, und dass während der Aufenthalte in Häfen, wo Fracht ge- oder entladen wird, Landgänge möglich seien, hebe den gegenständlichen Vertrag nicht über das Niveau eines Beförderungsvertrags. Damit komme die Zuständigkeitsbestimmung des Art 16 EuGVVO nicht zum Tragen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil sowohl zur Zurechenbarkeit der Tätigkeit eines Vermittlers als auch zu den den Erfordernissen, die an ein „Ausrichten" im Internet zu stellen sind, sowie zur Abgrenzung zwischen Beförderungs- und Pauschalreisevertrag höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Die klagende Partei erhob gegen diesen Beschluss einen ordentlichen Revisionsrekurs.

Die beklagte Partei erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung
IV. Vorlagebegründung:

1.1. Die EuGVVO hat den Kreis der Verbrauchersachen im vierten Abschnitt gegenüber dem EuGVÜ erweitert. Eine Verbrauchersache liegt gemäß Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO nunmehr auch dann vor, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

1.2. Mit dem Tatbestandselement der „Ausrichtung" der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers wollte man den elektronischen Handel erfassen, weil zB beim Anklicken auf der Website des Vertragspartners oft nicht zu lokalisieren ist, wo die Bestellungshandlung vorgenommen wurde (Begründung des Kommissionsentwurfs KOM 1999 [348] endg.; vgl Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht² Art 15 EuGVVO Rz 36). Strittig ist allerdings, welche Anforderungen an einen Internetauftritt zu stellen sind, um diesen als „Ausrichten" der Tätigkeit auf ein bestimmtes Land zu qualifizieren. Nach verbreiteter Auffassung genügt eine interaktive Website jedenfalls dann, wenn dort nicht der Abschluss mit Vertragspartnern in bestimmten Ländern ausgeschlossen wird (Spindler, Internationales Verbraucherschutzrecht im Internet, MMR 2000, 18 [21]; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 Art 15 EuGVVO Rz 24; Geimer aaO).

1.3. Rat und Kommission betonen jedoch in einer Gemeinsamen Erklärung (abgedruckt in IPRax 2001, 259 [261]), dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreiche, um die Anwendbarkeit von Art 15 EuGVVO zu begründen; vielmehr sei erforderlich, dass diese Website auch zum Vertragsabschluss im Fernabsatz auffordere und dass tatsächlich ein Vertragsabschluss im Fernabsatz erfolgt sei, mit welchem Mittel auch immer. Die Bedeutung dieser gemeinsamen Erklärung ist strittig (vgl Staudinger in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2 Art 15 EuGVVO Rz 15; vgl auch Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2 Art 15 EuGVVO Rz 38: „Brüsseler Orakelspruch").

1.4. Weitgehend Einigkeit herrscht jedenfalls darüber, dass die Erreichbarkeit einer passiven Website als solche nicht ausreicht, um den Kompetenztatbestand zu bejahen (Schlosser, Europäisches Zivilprozessrecht2 Art 15 EuGVVO Rz 8a; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2 Art 15 EuGVVO Rz 38).

2.1. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen keine näheren Feststellungen dazu getroffen, auf welche Weise der Vertragsabschluss letztlich zustande kam. Auch liegen keine Feststellungen zu Art und Intensität der Zusammenarbeit zwischen der beklagten Partei und der Vermittlerin vor.

2.2. Hiezu wurde unter Geltung des EuGVÜ vertreten, dass es nicht ausreiche, wenn der vom Verbraucher eingeschaltete Vermittler Formulare des späteren Vertragspartners zur Ausfüllung bereithalte (OLG München NJW-RR 1993, 701; OLG Köln WM 2004, 1324; Staudinger in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2 Art 15 EuGVVO Rz 13). Eine Einladung zum Vertragsabschluss durch einen Vermittler reiche nicht aus, wenn es sich bei diesem nicht um eine Außenstelle oder einen rechtsgeschäftlichen Vertreter des Unternehmers handle (OLG München NJW-RR 1993, 701 [703]). Gleiches soll auch für die EuGVVO gelten (Staudinger aaO). Art 15 Abs 1 lit c Fall 2 EuGVVO greife in Fällen, in denen der Vertragspartner die von ihm angebotene Ware gezielt auf dem Markt im Wohnsitzstaat des Verbrauchers abzusetzen suche (Staudinger aaO). So sei der Schutzgerichtsstand des Art 16 EuGVVO als eröffnet anzusehen, wenn sich das in einem anderen Mitgliedstaat angesiedelte Unternehmen der werbenden Tätigkeit einer in Deutschland tätigen Vertriebsfirma bediene, die ihm regelmäßig Kunden zuführe (OLG Dresden IPRax 2006, 44 [zustimmend von Hein, IPRax 2006, 20]).

2.3. Nach dem Grünbuch der Kommission über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, KOM (2002) 654 1, 38, sollen passive Websites genügen, wenn der Kunde aufgefordert wird, seine Bestellung per Fax aufzugeben. Auch in diesem Fall sei die Website auf den Abschluss von Verträgen im Fernabsatz gerichtet. Auch die Angabe einer kostenfreien Telefonnummer würde genügen. Eine Grenzziehung sei allerdings dann angezeigt, wenn eine passive Website im Netz vorgehalten werde, bei der Verbraucher andere Kommunikationswege beschreiten müssen, um den Vertragsabschluss herbeizuführen. Sofern dem Verbraucher bewusst sei, dass er gezielt die Leistung eines ausländischen Unternehmens in Anspruch nehme, verdiene er keinen Schutz (Staudinger aaO Art 15 EuGVVO Rz 14). Hingegen könne der Schutzgerichtsstand eingreifen, wenn der Vertrag durch einen Vermittler zustande komme, der dem Unternehmer regelmäßig Kunden zuführe (OLG Dresden IPRax 2006, 44 [zust von Hein aaO 20]).

3.1. Allerdings braucht zu diesen Fragen im vorliegenden Fall nur dann Stellung genommen werden, wenn überhaupt die EuGVVO anzuwenden ist. Nach Art 15 Abs 3 EuGVVO ist der vierte Abschnitt der EuGVVO aber nicht auf Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen, anzuwenden. Grund für diese Ausnahmeregelung war, dass man befürchtete, dass die Einführung von Sonderregeln im Kompetenzrecht für Transportverträge mit Verbrauchern zu schwer lösbaren Konventionskonflikten führen könnte (Schlosser Bericht Nr. 54; Geimer in Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht2 Art 15 EuGVVO Rz 58).

3.2. Aufgrund der in Art 15 Abs 3 EuGVVO vorgesehenen Gegenausnahme gelten hingegen die Regelungen des vierten Abschnitts der EuGVVO - wie dies auch schon für das EuGVÜ und LGVÜ angenommen wurde (RIS-Justiz RS0111522) - für Pauschalreisen. Für die Auslegung des Begriffs der „Pauschalreise" (vgl dazu auch Huff, Auslegung des Begriffs der Pauschalreise, European Law Reporter 1999, 122) kann auf die Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, 90/314/EWG) zurückgegriffen werden. Eine „Pauschalreise" im Sinne dieser Richtlinie liegt vor, wenn mindestens zwei der in Art 2 der Richtlinie aufgezählten Dienstleistungen im Vorhinein verbunden und zu einem Gesamtpreis verkauft werden, wobei die Reise mindestens eine Übernachtung umfassen oder länger als 24h dauern muss. Diese Dienstleistungen sind die Beförderung, die Unterbringung oder andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistung von Beförderung oder Unterbringung sind, und die einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen. Nach der - im vorliegenden Fall nicht unmittelbar einschlägigen - österreichischen Umsetzung in § 31b Abs 2 Z 1 lit c KSchG reichen demgegenüber Nebenleistungen nicht aus, die die „Beförderung" betreffen. Demgegenüber sind Nebenleistungen der „Unterbringung" eine „andere touristische Dienstleistung" und konstituieren demnach bereits zusammen mit der Unterbringung selbst eine „Reiseveranstaltung".

3.3. Der Europäische Gerichtshof hat zu einem Sprachaufenthalt im Ausland ausgesprochen, dass zur Auslegung des Begriffs der „Unterbringung" diese Dienstleistung zwar traditionell von Hotels, Gasthäusern oder ähnlichen Einrichtungen erbracht werde, dass aber ein Aufenthalt in einer solchen Einrichtung, die diese Dienstleistung entgeltlich erbringe, kein notwendiges Merkmal des Begriffs „Unterbringung" im Sinne der Richtlinie sei. Allerdings lehnte der Europäische Gerichtshof aus anderen Erwägungen die Anwendung der Pauschalreiserichtlinie auf derartige Sprachaufenthalte ab (EuGH 11. 2. 1999, RS C-237/97-AFS Intercultural Progams Finland, Slg 1999, I-825).

3.4. Erfasst sind also Urlaubspakete (Reisearrangements, Gesellschaftsreisen) mit Vorsorge für Hin- und Rückreise, für Hotelaufenthalte, Autobus-Ausflugsreisen, die die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten und häufig auch die Verpflegung sowie mitunter Einkaufsmöglichkeiten („Kaffeefahrten") einschließen, mit oder ohne Beiziehung von Fremdenführern und Reisebegleitern (Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang4 §§ 31b KSchG Rz 2). Die wesentliche Tätigkeit des Reiseveranstalters bestehe darin, die mehreren Reiseleistungen nicht nur zur Verfügung zu stellen, sondern sinnvoll zu verknüpfen, was einerseits eine vorausplanende Koordination, andererseits eine begleitende Betreuung mit sich bringe (Mayrhofer aaO). Die Ratio des Gesetzes liege offenbar darin, dass erst die Kombination verschiedenartiger Dienstleistungen beim Reisenden das Vertrauen auf umfassende Betreuung hervorrufe und die Gefahr für ihn mit sich bringe, die Angemessenheit des Preis-Leistungs-Verhältnisses nicht sachgerecht beurteilen zu können (Mayrhofer aaO § 31b KSchG Rz 4).

3.5. Nicht als „Reiseveranstaltung" sind nach der Lehre die üblichen reinen Beförderungsleistungen der Eisenbahn-, Bus-, Schifffahrts- und Flugzeugunternehmen anzusehen (Mayrhofer aaO § 31b KSchG Rz 3). Für diese Beförderungen gebe es großteils eigene hoheitliche Regelungen (Mayrhofer aaO). Anderes gelte, wenn solche Unternehmen Angebote machen, in denen sie die Beförderung mit anderen touristischen Dienstleistungen wie etwa mit Hotelübernachtung oder Teilnahme an Theateraufführungen kombinierten (Mayrhofer aaO). Demgegenüber sei das Servieren einer Mahlzeit während des Fluges als bloße Nebenpflicht zu qualifizieren (Krejci in Rummel, ABGB³ § 31b KSchG Rz 4). Anderes gelte für „Gourmet-Fahrten" mit Bahn und Schiff, bei denen der kulinarische Genuss als „andere touristische Dienstleistung" zu qualifizieren sei (Krejci aaO; Mayer in Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer, KSchG § 31b Rz 2; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 31b KSchG Rz 4).

3.6. Die österreichische innerstaatliche Regelung in § 31b Abs 2 Z 1 lit c KSchG bezieht auch jene Reiseveranstaltungen in den Begriff der „Pauschalreise" mit ein, bei denen neben der Unterbringung nur Nebenleistungen der Unterbringung geschuldet werden, die allerdings einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen. Dabei dachte der Justizausschuss (JAB 1991 BlgNR 18. GP 2) ausdrücklich an die Zurverfügungstellung einer Ferienwohnung mit weiteren Serviceleistungen wie etwa Bereitstellung von Bettwäsche, Handtücherreinigung etc. Sei jedoch die Zurverfügungstellung beispielsweise eines Schlafwagenplatzes nur Nebenleistung der Beförderung, so liege keine Reiseveranstaltung vor, weil die Beförderung im Vordergrund stehe (Riedler, Der Reisevertrag, ecolex 1994, 149 ff). Hingegen stehe bei einer Fahrt im Orientexpress die Beförderung nicht im Vordergrund, sodass der Begriff der Reiseveranstaltung erfüllt sei, weil die zur Beförderung hinzutretende touristische Dienstleistung nicht Nebenleistung sei und einen beträchtlichen Teil des Preises ausmache (JAB BlgNR 18. GP 2; Riedler, ecolex 1994, 149 [150 FN 24]; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 31b KSchG Rz 4).

3.7. Im vorliegenden Fall ist unklar, inwieweit der Sachverhalt mit einer - nach überwiegender Auffassung als „Pauschalreise" einzustufenden - Kreuzfahrt oder Busrundfahrt mit Übernachtungen oder mit einer „Gourmet-Fahrt" oder einer Reise im Orientexpress vergleichbar ist. Insoweit war daher ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zu richten.

3.8. Sofern der Europäische Gerichtshof das Vorliegen einer Pauschalreise und damit die Anwendbarkeit der EuGVVO bejaht, bedürfen die Anforderungen, die ein Web-Auftritt erfüllen muss, um als „Ausrichten" der Tätigkeit im Sinne des Art 15 Abs 1 lit c) EuGVVO qualifiziert zu werden, einer Klärung. Daher war dem Europäischen Gerichtshof - für den Fall der Bejahung der ersten Frage - auch diese Frage zu unterbreiten.

V. Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.

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