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Kampf den "Urheberrechtsverbrechern"

Über die geplante EU-Urheberrechts-Verschärfungs-Richtlinie

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Es hat sich schon seit Monaten abgezeichnet: Die Urheberindustrie ist mit der letzten Urheberrechtsreform nicht zufrieden. Sie will den Schutz ihrer Interessensphäre weiter ausbauen. Während also über die Medien psychologische Einschüchterung betrieben wurde, lief im Hintergrund die Lobby-Maschinerie an, mit dem Ziel die gesetzlichen Bestimmungen weiter zu verschärfen. Das hat nun sehr schnell zu einem neuen Richtlinien-Entwurf der EU geführt, was bei der noch immer wirtschaftslastigen Ausrichtung der EU und den persönlichen Verflechtungen (die Berichterstatterin im EU-Ausschuss ist Ehefrau des Chefs eines Medienkonzerns) nicht verwundert (Bericht ORF-Futurezone vom 2.10.2003).

Wenn man sich aber den Entwurf näher anschaut, erscheinen manche Gegenreaktionen überzogen. Die neue Richtlinie richtet sich primär gegen gewerbsmäßige Produktpiraten, vor allem gegen gewerbliche Massen-CD-Brennereien, die man nun wirklich nicht in Schutz nehmen muss. Das Internet mit seinen Tauschbörsen ist zwar auch betroffen, aber eher in geringem Ausmaß. Insbesondere wird der Musik-Download auch durch diese Richtlinie nicht berührt. Es ändert sich - wie schon bei der Info-Richtlinie, die in Österreich zur Urheberrechtsnovelle 2003 geführt hat, nichts im Vergleich zu vorher.

Das Problem dabei ist, dass die Rechtmäßigkeit des Downloads schon vorher umstritten war (für mich ist er nach wie vor als Anfertigung einer Privatkopie legal, weil alle Gegenargumente längst widerlegt sind). Auch die EU-FAQ's lassen offen, ob der Download nun erlaubt ist oder nicht, und überlassen diese Entscheidung den nationalen Gesetzgebern und Gerichten. Es ist nur die Rede davon, dass von der Verschärfung nicht Einzelpersonen betroffen sein sollen, "die nur gelegentlich ein paar Dateien swappen" (was immer das heißen soll). Tatsächlich befinden wir uns hier also auch in Zukunft im Bereich der Privatkopie, die von den meisten als zulässig angesehen wird.

Das aktive Zurverfügungstellen von Musik im Internet war schon bisher strafbar. Das große Problem für die Musikindustrie war aber, abgesehen von Amerika, das im rechtlichen Bereich einfach anders ist, dass man nicht an die User herankam, weil diese im Schutze der Anonymität agierten und Datenschutz und Kommunikationsgeheimnis diese Anonymität schützen. Dieser Schutz soll jetzt teilweise fallen. Das soll dann die Möglichkeit schaffen, Tauschbörsennutzer strafrechtlich zu verfolgen. Es geht also darum, mit der neu zu schaffenden Auskunftspflicht von den Providern die Namen der User herausbekommen.

Allerdings soll dies nach dem Text des Entwurfes auch in Zukunft beschränkt sein auf die Daten der "Lieferer" und der "gewerbliche Abnehmer". Unter Lieferer wird man sich bei einer Tauschbörse den Anbieter (Upload) vorstellen müssen. Dessen Identität soll also auf jeden Fall preisgegeben werden, unabhängig davon, in welchem Umfang er Werke öffentlich zur Verfügung stellt. Hingegen fehlt es beim passiven Teilnehmer einer Musikbörse (Download) am Merkmal der Gewerblichkeit. Gewerblich handelt nämlich nur, wer sich durch eine Tätigkeit eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen will. Das tut ein Tauschbörsennutzer in der Regel (weder beim Up- noch beim Download) nicht und deswegen darf der Provider auch nach diesem Entwurf die Namen der bloßen Downloader nicht offenlegen.

Nach derzeitigem Recht fallen die Verkehrsdaten (Name und Anschrift des  Internetusers, der hinter einer bestimmten, meist dynamischen IP-Adresse steckt) unter das, auch Grundrechtsschutz genießende, Kommunikationsgeheimnis und dürfen nur unter bestimmten, im Gesetz genau bezeichneten Voraussetzungen weitergegeben werden. Die Regelung findet sich im § 149a Strafprozessordnungt. Absolute Voraussetzung ist danach bisher, dass ein Delikt vorliegt, das mit mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Das ist aber bei den Urheberrechtsdelikten derzeit nicht der Fall; § 91 UrhG sieht nur eine Freiheitsstrafe bis 6 Monaten vor; eine gewerbsmäßige Begehung (Freiheitsstrafe bis 2 Jahre) kommt bei Tauschbörsenusern aus den schon erwähnten Gründen nicht in Betracht. Damit kann in Österreich derzeit praktisch nur ein Tauschbörsenuser strafrechtlich verfolgt werden, der entweder seine Identität selbst bekanntgibt oder mit einer fixen IP-Adresse unterwegs ist. Im Zivilrechtsbereich ist eine Herausgabe überhaupt nicht zulässig. Siehe dazu Näheres unter: Auskunft über Kundendaten

Nicht richtig ist, dass nach der geplanten Richtlinie die Auskunft ohne Gerichtsbeschluss erfolgen können soll. Artikel 9 sieht ausdrücklich vor, dass nur die Gerichte auf Antrag der in ihren Rechten Verletzten Auskünfte verlangen können. Sollte die Richtlinie daher tatsächlich beschlossen werden, müsste Österreich nicht allzu viel ändern. Der Gesetzgeber hätte zwei Reaktionsmöglichkeiten: Entweder man setzt die Strafe im § 91 UrhG von 6 Monate auf 2 Jahre hinauf oder die Voraussetzungen für die Herausgabe der Verkehrsdaten hinunter. Die erste Variante hätte den Vorteil, dass damit der Schutz der Privatsphäre nicht noch löchriger wird (es bliebe bei der hohen Schranke für die Preisgabe der Daten). Auch der Richtlinienentwurf selbst zielt nicht nur im Titel auf eine Verschärfung der Sanktionen im Urheberrecht. Insoferne wäre eine generelle Hinaufsetzung des Strafrahmens des § 91 UrhG auf (bis zu) zwei Jahre eine Lösung, die einerseits eine wirksame Strafverfolgung der Anbieter ermöglicht, andernfalls aber auch den Gerichten die Gelegenheit gibt, auf Verstöße in geringem Umfang (Kleinanbieter) entsprechend milde zu reagieren.

Trotzdem bleibt auch dabei ein Unbehagen, weil das Wertegefüge im Strafrecht einseitig verschoben wird. "Geistiger Diebstahl", wie er von der Urheberindustrie so gerne betitelt wird, kann nämlich nicht dem Sachdiebstahl nach den §§ 127 ff StGB gleichgestellt werden (Strafrahmen 6 Monate bzw. ab einem Wert über € 2.000,-- 3 Jahre). 

Das von der Musikindustrie immer wieder verwendete Argument, dass sich der Kopierer die Ausgaben für das Original erspart und damit das Musikstück im Wert der Original-CD "stiehlt", ist absurd. Die meisten Download-Kids könnten sich die Musik nie leisten, die sie aus dem Netz beziehen. Man kann also nicht die im Web kursierenden Musikstücke eins zu eins auf entgangene CD-Käufe umrechnen.

Ein Eingriff in ein Urheberrecht ähnelt eher dem Delikt der Erschleichung einer Leistung gem. § 149 StGB, wo es um "Schwarzfahren" oder Einschleichen in Veranstaltungen geht. Dort sind aber nur ganz geringfügige Strafen (1 bzw. 6 Monate) vorgesehen. Das entspricht auch dem Unrechtsgehalt der Tat im Vergleich zum echten Diebstahl, wo jemandem tatsächlich etwas weggenommen wird, sodass er es danach nicht mehr besitzt. Käme es zur Anhebung der Strafgrenzen, wäre das daher eine durch nichts gerechtfertigte Privilegierung der Musikindustrie. Es fragt sich, ob die Musikindustrie wirklich so arm ist, dass sie dieser strafrechtlichen Begünstigung bedarf.

Siehe auch:

3.10.2003

Vermerk vom 29.4.2004: Dieser Text basiert auf dem ursprünglichen RL-Entwurf. Tatsächlich wurde der RL-Text in der Folge in einer verschärften Version vom Parlament genehmigt und vom Rat am 26.4.2004 beschlossen.

Franz Schmidbauer

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