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... sowie die Kosten meines Einschreitens

Die Kosten von Abmahnschreiben wegen unerlaubter E-Mail-Werbung oder
Impressumpflicht-Verstößen kritisch betrachtet

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Die Abmahner sind unterwegs - zunehmend auch im österreichischen Cyberspace. Ein lückenhaftes Impressum, eine unbedachte Werbe-E-Mail und schon liegt eine Unterlassungsaufforderung eines Rechtsanwalts im (Papier-)Briefkasten. Nun gut, die Unterschrift unter eine Unterlassungserklärung tut nicht weh, meist war es ohnedies nur ein Versehen und der Sünder ist einsichtig. Aber der Anhang hat es oft in sich. Manche Anwälte verlangen nämlich für den Serienbrief 1.000 bis 2.000 Euro. Forscht man nach, wie sich dieser Betrag zusammensetzt, wird meist auf den hohen Streitwert einer Unterlassungsklage hingewiesen, der bei Streitigkeiten nach dem UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) vorgesehen ist.

Tatsächlich sehen die AHR (autonome Honorarrichtlinien) der Rechtsanwaltskammern, die eine Art Empfehlung für die Honorare der Rechtsanwälte darstellen, für Rechtsstreitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes in § 4 Z 15 einen Streitwert von EUR 36.000 vor, der in der Regel auch einfachen Klagen nach dem UWG zugrundegelegt wird. Das führt dann dazu, dass jede Tätigkeit eines Rechtsanwaltes, sei es Klage, Schriftsatz, Brief oder Telefonat entsprechend viel kostet.

 

Wettbewerbsverhältnis oder nicht

Was so plausibel klingt, hat aber gleich mehrere Haken. Die erste Frage ist, ob der Unterlassungsaufforderung überhaupt eine Streitigkeit nach dem UWG zugrundeliegt. Und diese Prüfung überstehen bereits viele Fälle nicht.

Damit nämlich das UWG anwendbar ist, muss zwischen dem potentiellen Kläger, also demjenigen, den der abmahnende Rechtsanwalt vertritt und der sich entweder durch ein unterlassenes Impressum oder durch eine zugesendete Werbe-E-Mail beschwert erachtet, und dem Abgemahnten ein Wettbewerbsverhältnis vorliegen. Nur in einem solchen Fall kann mit Sittenwidrigkeit argumentiert werden, weil sich Letzterer durch eine Gesetzesverletzung gegenüber dem gesetzestreuen Kläger einen Wettbewerbsvorsprung verschafft hat (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch als Fallgruppe des § 1 UWG). Für das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ist es erforderlich, dass beide annähernd in derselben Branche tätig sind bzw. dass sich ihre Tätigkeit an denselben Abnehmerkreis richtet. Fehlt es an einem solchen Wettbewerbsverhältnis, ist weder das UWG anwendbar (abgesehen von den Fällen, in denen ein Verein zum Schutz des Wettbewerbes als Kläger auftritt, dem zugleich Konkurrenten des Abgemahnten angehören), noch die kostenmaximierende Bestimmung der AHR.

Daneben ist die Anwendbarkeit des UWG bei einfachen Impressum-Verstößen überhaupt umstritten (zuletzt Christian Handig, Mangelhafte Anbieterkennzeichnung als lauterkeitsrechtliches Problem in Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb (Hrsg), Aktuelle Fragen des Lauterkeitsrechts (2004) - Artikel bei rechtsprobleme.at.

 

Zivilrecht neben Verwaltungsrecht

Impressum-Verletzungen und unerlaubte Werbe-E-Mails werden auch verwaltungsstrafrechtlich geahndet. Der Strafrahmen geht bei der Verletzung der Informationspflicht nach § 5 ECG bis EUR 3.000 (§ 26 Z1), beim Verstoß gegen das Werbe-E-Mail-Verbot bis EUR 37.000 (§ 107 TKG). Für eine Verwaltungsstrafanzeige benötigt man keinen Rechtsanwalt.

Es stellt sich daher die Frage, ob hier ein zivilrechtliches Vorgehen überhaupt gerechtfertigt ist. Es geht schließlich nicht an, dass jedes Verwaltungsdelikt zusätzlich mit zivilrechtlichen Unterlassungsklagen verfolgt wird. Demnächst könnte dann ein frustrierter Autofahrer einen verkehrswidrig Überholenden auf Unterlassung klagen. Damit ein zivilrechtlicher Anspruch geltend gemacht werden kann, bedarf es daher einer gesetzlichen Vorschrift, die dies auch vorsieht, und ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers. Allerdings sind die Meinungen zur zivilrechtlichen Unterlassungsklage nicht einheitlich. Die Rechtsprechung ist relativ großzügig. So hat der OGH bereits zum alten § 101 TKG (Verbot von Werbe-E-Mails) ausgesprochen, dass dieser ein subjektives Recht des Teilnehmers zur Untersagung unberechtigter Faxwerbung begründet (1 Ob 82/99m).

In Deutschland wird eine unzulässige Werbe-E-Mail bei kommerziellen Empfängern als Eingriff in den "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" und bei privaten Empfängern als Verletzung der Privatsphäre angesehen und zu dessen Abwehr ein Unterlassungsanspruch bejaht:

Man wird daher davon ausgehen müssen, dass auch in Österreich dem Empfänger einer unzulässigen E-Mail-Werbung ein zivilrechtlicher Abwehrspruch (außerhalb des Wettbewerbsrechtes) als Ausfluss des Persönlichkeitsrechtes und des Schutzes der Privatsphäre bei Verletzung des gesetzlichen Werbeverbotes zusteht. Bei Impressum-Verletzungen ist dies mehr als fraglich, weil es hier zu keiner Beeinträchtigung fremder Sphären kommt. Im weiteren wird daher kostenmäßig nur mehr die unerlaubte E-Mail-Werbung behandelt (im Bereich des Wettbewerbsrechtes ist dies aber auch für die Impressum-Verletzung relevant).

 

Die Bewertung von Fällen ohne Wettbewerbsverhältnis

AHR und RATG sehen für Streitigkeiten über unerlaubte Werbe-E-Mails keine eigene Bemessungsgrundlage vor. Es stellt sich daher die Frage, wie ein solcher Anspruch zu bewerten ist. Grundsätzlich ist der Kläger in seiner Bewertung frei, bei eklatanter Überbewertung kann aber der Gegner den Streitwert gemäß § 7 RATG bemängeln und das Gericht hat dann einen angemessenen Streitwert festzusetzen. Dabei ist die Schwere des Eingriffes zu berücksichtigen. Wenn es sich um vereinzelte Zusendungen handelt, ist der durch das Abrufen und Löschen der Mails hervorgerufene Zeitaufwand an sich minimal, die Belästigung und die Kosten insgesamt deutlich geringer als bei Werbe-Telefonaten oder Werbefax. Eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung ergibt sich überhaupt erst durch die Vielzahl von Spam, die aber nicht dem einzelnen Versender angelastet werden kann. Zu berücksichtigen wird auch sein, ob der Versender alle sonstigen Regeln des Werbe-E-Mail-Versandes (Kennzeichnung, Abmeldemöglichkeit) eingehalten hat.

Bedenkt man diese Umstände, ergibt sich, dass die Bewertung einer derartigen Streitigkeit mit EUR 36.000 nicht sachangemessen ist. Eine Bemessung mit einem Streitwert am unteren Ende der bezirksgerichtlichen Zuständigkeit (die bis EUR 10.000 reicht) erscheint hier eher angemessen. § 4 Z 37 AHR enthält als Auffangtatbestand "Sonstige Zivil- und Verwaltungssachen" und sieht bei sehr einfacher Natur und geringer Bedeutung EUR 2.180, ansonsten, d.h.bei nicht einfacher Natur oder nicht geringer Bedeutung im allgemeinen mindestens EUR 8.720 vor. Diese beiden Werte kommen, je nach den Umständen des Einzelfalles, als realistische Streitwerte in Frage. Ein höherer Wert ist nicht gerechtfertigt, weil weder die Materie schwierig ist (gerade bei den meist mit solchen Streitigkeiten befassten Anwälten handelt es sich um ein Massengeschäft), noch das wirtschaftliche Interesse des Klägers einen höheren Betrag rechtfertigt. Wie das Gericht den Streitwert im Falle eines Streites darüber (gem. § 7 RATG unanfechtbar) festlegen wird, lässt sich allerdings schwer vorhersagen.

In Deutschland hat das AG Hamburg-Wandsbek in einem solchen Fall den Regelstreitwert von EUR 3.000 zugrundegelegt (715 C 48/03).

 

Die Kosten von Klage und Abmahnung nach allgemeinem Zivilrecht

Geht man von diesen Überlegungen aus, wäre für eine Unterlassungsklage ein Streitwert zwischen EUR 2.180 und 8.720 angebracht. Für eine Klage fielen damit Kosten von EUR 277,92 bis EUR 554,96 inklusive 20 % Ust. und zuzüglich gerichtlicher Pauschalgebühr (EUR 79 bis 551), an, jeweils berechnet nach Tarifpost 3 des RATG.

Bloße Aufforderungsschreiben sind aber nach Taripost 6 zu entlohnen, was unter Berücksichtigung eines 50%igen Zuschlages für Informationsaufnahme EUR 12,78 bis EUR 22,68, jeweils inklusive 20 % Ust und zuzüglich Barauslagen (Porto), ausmacht. Die Kosten nach TP 6 sind also um ein Vielfaches (mehr als das 25-fache)  niedriger als jene nach TP 3. Diese Kosten des Aufforderungsschreibens sind nur dann zu bezahlen, wenn es nicht zu einem Gerichtsverfahren über den Hauptanspruch kommt; im Falle eines Verfahrens sind sie in den Verfahrenkosten bereits mitenthalten (Einheitssatz gem. § 23 RATG).

Entscheidungen zu Aufforderungsschreiben (Abmahnschreiben):

Solche Vor-Entscheidungen sind für die Gerichte nicht bindend, die Gerichte orientieren sich aber in der Regel daran. Gegenteilige Entscheidungen, wonach für Aufforderungsschreiben Kosten nach TP 3 zustünden, wurden im RIS nicht gefunden.

Ergänzung vom 4.11.2004: Gem. § 8 Abs. 3 der Allgemeinen Honorarrichtlinien (AHR) sind für Aufforderungsschreiben, welche inhaltlich einem Schriftsatz nach TP 3a RAT entsprechen, insbesondere die Aufforderungsschreiben im Amtshaftungs- und Versicherungsschadenssachen, die Honoraransätze nach dieser Tarifpost angemessen. Allerdings finden die AHR nur Anwendung auf Leistungen eines Rechtsanwaltes, soweit deren Entlohnung nicht durch Gesetz oder Verordnung geregelt ist oder wenn die Anwendung vereinbart wurde. Letzteres kommt nur im Verhältnis mit dem eigenen Mandanten in Frage. Ob Kosten, die mit dem eigenen Mandanten vereinbart worden sind, vom Gegner auch zu ersetzen sind und in welcher Höhe, ist keine Frage der AHR, sondern ausschließlich des RATG, bzw. des Kostenrechtes der ZPO. Dort kommt es wiederum ausschließlich darauf an, ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren.
Mit anderen Worten: Der Anwalt kann mit dem eigenen Mandanten einen beliebig hohen Tarif vereinbaren, vom Gegner zu ersetzen sind jeweils nur die Kosten nach RATG. Nachdem es im RATG ausdrücklich einen Tarif für Aufforderungsschreiben gibt, scheitert die Anwendung der AHR aber auch bereits an der mangelnden Voraussetzung nach § 1 lit. a AHR.

 

Ist die Beiziehung eines Rechtsanwaltes überhaupt notwendig?

Die Beiziehung eines Rechtsanwaltes wird in der Regel auch bei geringen Streitwerten, bei denen an sich im Fall einer Klage kein Rechtsanwaltszwang besteht, als gerechtfertigt angesehen; dies umso mehr, wenn es sich um eine noch neue Materie handelt. Mit dem Argument, dass das Einschreiten eines Rechtsanwaltes nicht notwendig war und eine einfache Mitteilung genügt hätte, um die Werbe-Mails abzustellen, wird man daher vermutlich nicht durchkommen, obwohl es gute Gründe dafür gäbe, die Kosten eines Rechtsanwaltes erst dann als zur Rechtsverfolgung notwendige Kosten anzusehen, wenn die eigene Abwehrhandlung nicht zielführend gewesen ist, d.h. trotz Abbestellung weitere Werbe-Mails zugestellt werden.

 

Die Kosten von Klage und Abmahnung nach Wettbewerbsrecht

Basieren die Klage und die vorherige Unterlassungsaufforderung auf dem UWG, ergeben sich unter Berücksichtigung des Regelstreitwertes von EUR 36.000 Klagskosten von EUR 1.561,44 inklusive 20 % Ust und zuzüglich gerichtlicher Pauschalgebühr (EUR 551).

Auch in diesem Fall sind aber die Kosten eines außergerichtlichen Aufforderungsschreibens wesentlich geringer. Die Kosten nach TP 6 liegen bei EUR 199,84 inklusive 20 % Ust zuzüglich Barauslagen (Porto).

 

Klage auf Kosten nach Anerkenntnis des Unterlassungsbegehrens

Der Abgemahnte kann die geforderte Unterlassungserklärung abgeben und damit das Unterlassungsbegehren anerkennen. Damit fällt der Klagsgrund weg und das Klagebegehren ist erfüllt. Ist in diesem Fall eine Einigung über die Kosten nicht möglich, muss der Abmahnende seine Kosten einklagen. Dies erfolgt aufgrund der geringen Höhe mit einer Mahnklage beim Bezirksgericht. Der Streitwert einer derartigen Mahnklage ist gleich dem eingeklagten Betrag. Es besteht kein Rechtsanwaltszwang. Die Kosten sind wegen des geringen Streitwertes nicht besonders hoch; sie sind von der Partei zu bezahlen, die den Prozess verliert. Gewinnt der Kläger nur mit einem Teil seiner Forderung, geht die Kostenentscheidung nach folgender Formel:

Gewonnener Anteil minus verlorener Anteil ergibt Kostenersatzanspruch.
Beispiele: Der Kläger gewinnt mit drei Viertel seiner Forderung und verliert mit einem; er bekommt nur die halben Verfahrenskosten. Der Kläger gewinnt mit einem Viertel und verliert mit drei Viertel; er muss dem Beklagten die halben Kosten zahlen. Gewinn zur Hälfte bedeutet Kostenaufhebung, d.h. jeder zahlt seine eigenen Kosten selbst, es erfolgt kein Ersatz an die Gegenseite.

Wegen dieser Kostenproblematik sollte der Abgemahnte, wenn er das Unterlassungsbegehren anerkennt, auch die als angemessen erachteten Kosten bezahlen. Damit verschiebt sich das Risiko des Prozesses zum Kläger. Bekommt er im Prozess keine weiteren Kosten zugesprochen, muss er dem Beklagten dessen gesamte Kosten bezahlen.

 

Zusammenfassung

Erhält jemand ein Abmahnschreiben im Namen eines Empfängers eines unerlaubten Werbe-E-Mails, ist zunächst zu prüfen, ob tatsächlich ein Rechtsverstoß vorliegt. Ist dies der Fall, so ist die Abgabe der verlangten Unterlassungserklärung empfehlenswert. Für die Kosten gilt Folgendes:

Wird die Klage oder Klagsdrohung auf ein Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Abmahner und dem Abgemahnten gestützt und liegt ein solches tatsächlich vor, kann zu Recht der hohe Streitwert nach § 4 Z 15 AHR von EUR 36.000 zugrunde gelegt werden. Ansonsten ist der Streitwert einer geringwertigen Zivilstreitigkeit bei der Berechnung des Honorars heranzuziehen.

Ist in der Klage ein höherer Streitwert angegeben, sollte dieser gem. § 7 RATG spätestens in der ersten Verhandlung bemängelt werden; das Gericht kann dann den Streitwert heruntersetzen, wodurch die gesamten Verfahrenskosten niedriger ausfallen.

Für das Abmahnschreiben sind die Kosten nach TP 6 RAT zuzüglich 50 % Zuschlag für Informationsaufnahme, Ust und Barauslagen zu berechnen. Wird die Unterlassungsaufforderung anerkannt, sollten auch diese angemessenen Kosten bezahlt werden.

Siehe auch:

18.10.2004 (letzte Ergänzungen 4.11.2004)

Franz Schmidbauer

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